18.11.24 – Wenn Jünger streiten
MENSCHEN DES FRIEDENS - Ein Impuls von Bischof Ulrich Neymeyr
Bibelvers
Markus 10, 42
„Die als Herrscher gelten, halten ihre Völker nieder – so ist es unter euch nicht.“
Impuls
„Zukunft hat der Mensch des Friedens“, so lautete das Leitwort des 103. Deutschen Katholikentags, der vom 29. Mai bis zum 2. Juni 2024 in Erfurt stattgefunden hat. Es ist ein Zitat aus dem Psalm 37. Der Beter erörtert die Frage, wer am Ende die besseren Karten hat: Der Gerechte, der sich für Gerechtigkeit, Versöhnung und Frieden engagiert, oder der Frevler, der nimmt, was er bekommen kann – wenn es sein muss mit Gewalt. Gegen Ende des Psalms steht dann der Satz: „Zukunft hat der Mensch des Friedens“ (Psalm 37,37). Dieser Satz provoziert die Frage: Ist das wirklich so? Zieht nicht doch am Ende der Mensch des Friedens den Kürzeren? Wenn Sie Menschen des Friedens nennen sollten, Menschen deren Lebenswerk der Einsatz für Frieden, Gerechtigkeit und Versöhnung ist, würden Ihnen vielleicht auch die Namen Mahatma Gandhi oder Martin Luther King einfallen. Beide wurden bekanntlich erschossen. Wie kann man also das Leitwort des Katholikentags erklären oder auch rechtfertigen? Eine Hilfe kann die heutige Bibelstelle der ökumenischen FriedensDekade sein: „Die als Herrscher gelten, halten ihre Völker nieder – so ist es unter euch nicht.“ (Mk. 10,42f) Als Christen können wir unter uns ein neues Modell des Miteinanders leben, bei dem es nicht darum geht, Macht zu haben, sondern dem Frieden zu dienen, bei dem es nicht um die eigenen Ansichten oder Absichten geht, sondern um die Gemeinsamkeit. Das ist eine große Herausforderung – in der Ökumene, in den einzelnen Kirchen und in den einzelnen Kirchengemeinden. Wir können heute damit anfangen, indem wir nicht auf unserer Meinung bestehen, sondern bereit sind, zuzuhören und möglicherweise auch unsere Meinung zu ändern.
Aktionsvorschlag
Aktionsvorschlag: Wenn dir heute in einem Gespräch eine Meinung begegnet oder bei deinem Gegenüber eine Handlungsweise wahrnimmst, der du direkt widersprechen möchtest: reagiere nicht sofort mit Widerspruch. Und versuche dich in dein Gegenüber hineinzuversetzen. Frage nach, warum die Person dieser Ansicht ist, welche Erfahrungen sie evtl. machte? Was sie zu dieser Aussage/Handlung bewegte? Warum es ihr wichtig ist?
Ein Impuls von:
Bischof Dr. Ulrich Neymeyr
Bistum Erfurt
Die Andacht des heutigen Tages
Begrüßung
Schalom – Friede – Salam: In Gottes Namen sind wir zusammen.
Wir halten inne.
Wir schauen auf das, was uns sorgt.
Wir schauen auf das, was wir hoffen.
Wir schauen auf Gott.
Psalm 85,9-14
Wir beten mit Worten des 85. Psalms
Ich will hören, was Gott zu sagen hat.
Der Herr redet vom Frieden.
Er verspricht ihn seinem Volk und seinen Frommen.
Doch sie sollen nicht mehr zurückkehren
zu den Dummheiten der Vergangenheit!
Ja, seine Hilfe ist denen nahe, die zu ihm gehören.
Dann wohnt seine Herrlichkeit wieder in unserem Land:
Güte und Treue finden zueinander.
Gerechtigkeit und Frieden küssen sich.
Treue wächst aus der Erde empor.
Gerechtigkeit scheint vom Himmel herab.
Auch schenkt uns der Herr viel Gutes,
und unser Land gibt seinen Ertrag dazu.
Gerechtigkeit zieht vor ihm her
und bestimmt die Richtung seiner Schritte.
Amen
Lied „Erzähl mir vom Frieden"
1. Wir sind hier und bringen mit:
Unsre Sorgen um den Frieden.
Unsre Worte und Ideen
sind lebendig und verschieden.
Wenn wir singen und erzählen,
wird die Hoffnung uns nicht fehlen.
2. Wir sind hier und bringen mit:
Unsre Lieder und Geschichten,
Klang und Stille im Gebet,
das Bedrängende wird sich lichten.
Wenn wir unsre Träume teilen,
können tiefe Risse heilen.
Text: Susanne Brandt © Rechte bei der Autorin,
Melodie: Liebster Jesus (EG161), Johann Rudolf Ahle, 1664
Lesung
Markus 10,35-45
Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, traten zu Jesus und sagten zu ihm: »Lehrer, wir möchten, dass du uns eine Bitte erfüllst.« Jesus fragte sie: »Was möchtet ihr denn? Was soll ich für euch tun?« Sie antworteten: »Lass uns neben dir sitzen, wenn du in deiner Herrlichkeit regieren wirst – einen rechts von dir, den anderen links.« Aber Jesus sagte zu ihnen: »Ihr wisst nicht, um was ihr da bittet! Könnt ihr den Becher austrinken, den ich austrinke? Oder könnt ihr die Taufe auf euch nehmen, mit der ich getauft werde?«
Sie erwiderten: »Das können wir!« Da sagte Jesus zu ihnen: »Ihr werdet tatsächlich den Becher austrinken, den ich austrinke. Und ihr werdet die Taufe auf euch nehmen, mit der ich getauft werde. Aber ich habe nicht zu entscheiden, wer rechts und links von mir sitzt. Dort werden die sitzen, die Gott dafür bestimmt hat.«
Die anderen zehn hörten das Gespräch mit an und ärgerten sich über Jakobus und Johannes. Da rief Jesus auch sie herbei und sagte zu ihnen: »Ihr wisst: Diejenigen, die als Herrscher der Völker gelten, unterdrücken die Menschen, über die sie herrschen. Und ihre Machthaber missbrauchen ihre Macht. Aber bei euch ist das nicht so: Sondern wer von euch groß sein will, soll den anderen dienen. Und wer von euch der Erste sein will, soll der Diener von allen sein. Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen. Im Gegenteil: Er ist gekommen, um anderen zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele Menschen.«
Gedanken
Wenn Jünger streiten
„Erzähl mir vom Frieden" lautet das Motto der FriedensDekade. Ausgehend vom heutigen Text formuliere ich lieber: „Erzähl mir nichts vom Frieden", denn: Selbst die Frömmsten verhalten sich unfriedlich! Da lese ich im knackig-präzise formulierenden Markus-Evangelium von jenen unverschämt-frechen Bitten der beiden Brüder Jakobus und Johannes: Sie wollen im Himmel(!) rechts und links neben Jesus sitzen! Jesus versucht sie abzuwimmeln, indem er sie fragt, ob sie das erleiden können, was Er erleiden wird. Sie bejahen, ohne zu wissen, was „Sache“ ist! Dann bremst Jesus sie aus, sagt ihnen, dass Er nicht über die himmlischen Sitzplätze neben sich entscheiden wird. Doch in dem Augenblick ist der Unfriede bei den Jüngern längst ausgebrochen! Der Evangelist deutet an: Die anderen Jünger ärgern sich!
Ich stelle mir vor, wie sich der Ärger erst langsam, dann immer spürbarer bei Jesu „ach so frommen Mitläufern" Bahn bricht. Erst tuscheln sie leise miteinander; dann wird einer laut und beschwert sich über die unverschämte Bitte. Und – wie reagiert Jesus? Er fängt den Ärger dadurch auf, dass Er grundsätzlich die weltlich-menschlichen Herrschaftsverhältnisse auf den Kopf stellt: "Wer oben sein will, dient allen anderen; leistet sogar Sklavendienste!" Jesus begründet die Umkehrung mit Seinem Auftrag: „Auch ich bin nicht gekommen, um mich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen und mein Leben als Lösegeld für alle Menschen hinzugeben." Wäre das dann die neue Erzählung vom Frieden: Menschen dienen einander – und zwar so, dass die, die oben sind, für die durch ‚den Staub gehen', die unten sind'? Wenn es soweit käme – nicht nur in besonderen Situationen, sondern als soziale Grundhaltung – dann könnte ich wirklich vom Frieden erzählen!
(Pastor Hartmut Hilke, Evangelisch-methodistische Kirche Leonberg)
Lied „Erzähl mir vom Frieden"
3. Wir sind hier und bringen mit:
Mut für Widerstand und Vertrauen,
dass wir mit Gottes Geist und Geduld
immer wieder Brücken bauen,
zu Gewalt und Krieg nicht schweigen,
sondern andre Wege zeigen.
Text: Susanne Brandt © Rechte bei der Autorin,
Melodie: Liebster Jesus (EG161), Johann Rudolf Ahle, 1664
Gebet
Aus deinem Frieden leben wir, Gott.
Lass uns das nicht vergessen in unfriedlichen Zeiten.
Wir bitten für alle,
deren Leben in Frieden bedroht ist durch Krieg und Gewalt.
Wir sehnen uns nach gerechtem Frieden in der Welt.
Lass uns einander erzählen vom Frieden,
öffne unsere Ohren zum Hören
und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens.
In der Stille beten wir…
Gemeinsam beten wir:
Vater unser im Himmel,
geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.
Lied "Bewahre uns, Gott"
Bewahre uns, Gott,
behüte uns, Gott,
sei mit uns vor allem Bösen.
Sei Hilfe, sei Kraft, die Frieden schafft,
sei in uns, uns zu erlösen.
Text: Bewahre uns, Gott EG 171,
Melodie: Anders Ruuth, Text: Eugen Eckert, Strube Verlag, 1985
Segen
Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.
Amen.
Lied "Der Friedensfunke"
Der Friedensfunke
Du, Herr der ganzen Erde, komm nimm dich unser an,
durch dich nur Friede werde, kein andrer Großes kann.
Du lenkst das Weltgeschehen, du hast doch alle Macht;
wir dich jetzt nicht verstehen, was hast du dir gedacht?
Wir falten doch die Hände und sind voll Redlichkeit,
du jeden Krieg abwende, und das zu aller Zeit.
Wir sind jetzt am Verzagen, weil andre böse sind.
Ach, Herr, nur du kannst sagen, dass Frieden nun beginnt.
Die Kirche ist uns offen, sie ist ein gutes Haus,
in ihr kann man noch hoffen, von ihr geht Liebe aus.
Man kann sich dort versenken und warten auf den Herrn,
denn er kann alles lenken, das ist der Glaubenskern.
Doch sollten wir auch handeln und mutig etwas tun,
vielleicht wird sich was wandeln, wir können nicht ausruh‘n.
Wir müssen exportieren auch Bomben bis zuletzt,
dann wird der Feind verlieren und in den Tod gehetzt.
So denkt auch die Regierung, dann scheint das gut zu sein,
sieht sich als starke Führung, setzt sich für Waffen ein.
Was will man denn erreichen, dass sich das Chaos ballt,
ja, immer mehr an Leichen, ein Strudel an Gewalt?
Ich glaub, dass in uns allen ein Friedensfunke steckt,
er muss nur stärker werden, so wird er auch entdeckt.
Dadurch wächst Klugheit, Weisheit und Kreativität,
es ist für diese Haltung auf keinen Fall zu spät.
Kommt, lasst uns Frieden schaffen, die Menschheit so gewinnt,
ja, Mütter, Väter, Alte, natürlich jedes Kind.
Es geht nur mit Verhandeln und das ist kompliziert,
doch diese große Mühe uns in das Leben führt.
Mir soll mein Friedensfunke für immer leuchtend sein,
ich werd‘ ihn stets behüten, ich lass‘ mich auf ihn ein.
Vielleicht denkst du das Gleiche, dann sind wir schon zu zweit,
so wird die Hoffnung stärker und nicht die Dunkelheit.
Text und Arrangement: Kai Schmerschneider (Nach dem Kirchenlied „Gib Frieden, Herr, gib Frieden“ 1983 und der Melodie von 1603)
Gewaltfrei gegen strukturelle Gewalt? – Anna Böck über ihr Engagement bei der Letzten Generation
Gewalt kann viele Formen haben. Eine erschreckende, umfassende und zersetzende Form von Gewalt ist unser von Überkonsum geprägter Lebenswandel in den Ländern des globalen Nordens. Also unsere Lebensnormalität, die auf der Nutzung fossiler Energie basiert. Folge ist die Klimakatastrophe, deren Anfänge wir schon spüren und auf die wir mit Höchst-geschwindigkeit weiter zurasen. Wir nehmen unsere Lebensweise nicht als Gewalt wahr, sondern als Normalität - und doch tun wir der Welt, in der wir leben, Gewalt an. Es ist eine andere Form von Gewalt: Strukturelle Gewalt. Pfarrerin Anna Böck ist Aktivistin bei der „Letzten Generation“ und versucht, mit ihren Aktionen auf diese strukturelle Gewalt hinzuweisen. Was sie dazu bewegt und was sie dabei erlebt, erzählt sie in unserem Podcast.
Wer mehr über Anna und ihre Arbeit erfahren will, kann ihr unter @pfarrertogo auf Instagram folgen:
https://www.instagram.com/pfarrertogo?utm_source=ig_web_button_share_sheet&igsh=ZDNlZDc0MzIxNw==
Außerdem lohnt sich ein Blick in Annas neues Buch: „Kaputt geborgen - Gedanken aus der Krise“ in dem sie Andachten zum Umgang mit unserer krisenbehafteten Zeit gesammelt hat:
https://neukirchener-verlage.de/catalog/product/view/id/2112377/s/kaputt-geborgen-gedanken-aus-der-krise-9783761569764/category/869/